Kunst und Politik

Macit Karaahmetoğlu MdB Die Rede von Macit Karaahmetoğlu, Bundestagsabgeordneter der SPD, anlässlich der Eröffnung unserer Ausstellung "SHOWTIME" Müller & Sohn + Ko (Irene Müller, Diethard Sohn und Hyunjeong Ko) im Ludwigsburger Kunstverein

Die Rede von Macit Karaahmetoğlu, Bundestagsabgeordneter der SPD, anlässlich der Eröffnung unserer Ausstellung „SHOWTIME“ Müller & Sohn + Ko (Irene Müller, Diethard Sohn und Hyunjeong Ko) im Ludwigsburger Kunstverein:

Lieber Diethard, liebe Irene, liebe Hyunjeong Ko, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Knecht, meine Damen und Herren,  

dem Wunsch, in meiner Rede etwas über Kunst und Politik zu sagen, komme ich gerne nach. 

Diethard ist nicht nur ein langjähriger Freund von mir, sondern ich bin als Bundestagsabgeordneter täglich im politischen Geschäft. Da lag das Thema als Rede zu dieser Vernissage, auf die ich mich im Übrigen sehr gefreut habe, nahe. 

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Was das Thema Kunst und Politik betrifft:  In bekannten Zitaten wird ja Politik gerne zu einer Kunstform erhoben. Politik sei die Kunst des Möglichen, soll Otto von Bismarck mal gesagt haben. Ich weiß nicht, wie viele Politikerinnen und Politiker diesen Spruch in eine Rede eingebaut haben, um ihrer Arbeit Bedeutung zu verleihen. Ich jedenfalls sehe mich nicht als Künstler. Politik ist eine ganz andere Kategorie als Kunst. 

In den meisten Zitaten kommt mein Berufsstand allerdings nicht gut weg. Da heißt es zum Beispiel: „Politik ist die Kunst, neue Probleme zu schaffen, obwohl man die alten noch nicht gelöst hat.“ Das Zitat wird verschiedenen Prominenten in den Mund gelegt. Leider hat diese Häme aktuell wieder Konjunktur

Was die Kunst für mich bedeutet: Ich betrachte sehr gerne Kunst und lasse diese auf mich wirken. Ich empfinde Kunst als Genuss, analysiere sie aber in der Regel nicht. Erst recht nicht im Zusammenhang mit meinem Beruf als Abgeordneter. 

Ich gehe gerne in Museen und Ausstellungen. Ich betrachte Gemälde, Fotos, Videos, Skulpturen oder auch Installationen. Ich nehme die Objekte intensiv wahr. Ich bewundere Farben, die Kunstfertigkeit und die Kreativität der Kunstschaffenden. Aber vor allem das Talent, in Dingen die Einzelheiten, die Details zu sehen, zu erfassen und sie künstlerisch wiederzugeben. Aber ich erwarte von Künstlerinnen und Künstlern keine politischen Statements. Ich sehe das zumindest nicht als eine künstlerische Daueraufgabe an. 

Gleichwohl sind Kunst und Politik untrennbar miteinander verbunden. In einer Demokratie wie der unseren, haben Kunstschaffende das Recht, ihre Werke frei zu gestalten und zu äußern. Die Kunst ist unabhängig von staatlicher Zensur und beeinflusst die politische Landschaft. Sie fördert den Dialog und stärkt das Bewusstsein für die Bedeutung von Kunst in unserer Gesellschaft.  

Künstlerinnen und Künstler können ihrer Kreativität freien Lauf lassen, sie können provozieren, zum Nachdenken anregen und neue Perspektiven aufzeigen. 

Die Freiheit der Kunst in einer Demokratie ist jedoch kein Resultat eines Selbstläufers. Sie basiert auf den Grundlagen unseres politischen Systems und wird durch  

  • den Schutz der Kunst- und Meinungsfreiheit,  
  • der Pressefreiheit und  
  • der kulturellen Vielfalt gewährleistet.  

Als Abgeordnete der demokratischen Fraktionen des deutschen Bundestags setzen wir uns für diese Grundlagen ein und tragen die Verantwortung, die Freiheit der Kunst zu schützen und zu fördern. 

Im Deutschen Bundestag geht es natürlich nicht nur um Förderung, wenn wir über die Ausgestaltung unserer Kultur- und Medienlandschaft debattieren. Ich selbst beschäftige mich mit Fragen des Urheber- und Medienrechts. Themen sind unter anderem  

  • die Digitalisierung unserer Bibliotheken,  
  • Künstliche Intelligenz und Urheberrecht oder auch  
  • die Musikvermarktung in digitalen Zeiten. 

Leider ist die politische Betrachtung von Kunst nicht in allen Ländern gleich. In autoritären Staaten wird unabhängige Kunst als bedrohlich empfunden, da sie das Potenzial hat, die Kontrolle des Staates über die Masse zu untergraben.  

In solchen Regimen leidet die Kunst unter Zensur und wird auf den politischen Mainstream reduziert. Künstlerinnen und Künstler werden zum Schweigen gebracht, sie landen im Gefängnis, ihre kreativen Impulse werden erstickt. Dies mag für die politischen Herrscher von Vorteil sein, aber es schadet der Kultur und der freien Entfaltung des Individuums und letztlich der gesamten Gesellschaft. 

Eine solche Gefahr droht auch in Deutschland. 

In rechtspopulistischen und Rechtsextremen Kreisen wird aktuell die Kunstfreiheit in Frage gestellt und wieder über „linke Kunst“ hergezogen. Dafür dürfe es keine Öffentlichkeit und keine staatlichen Mittel geben, heißt es.  

Ein Beispiel dafür lebt hier im Landkreis Ludwigsburg, ein AfD-Abgeordneter, der im Ausschuss für Kultur und Medien sitz. Dem SPIEGEL erklärte er vor einigen Jahren, er wolle „die bisherige Förderung politisch korrekter Projekte herunterfahren“. Seine Wahl zum kulturpolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion kommentierte er mit den Worten, er wolle als Teil der „Abteilung Attacke“ nun „die Entsiffung des Kulturbetriebs in Angriff“ nehmen. 

Die Kunstfreiheit steht im Grundgesetz. Freiheit bedeutet auch, Kunst kann politisch sein, muss aber nicht. Kunst hat eine Botschaft oder sie dient nur ihrem Selbstzweck. Das gehört zur künstlerischen Freiheit. Für rechte Ideologen ist Kunst aber immer politisch: Wenn sie nicht gefällt, muss sie weg. Wenn sie gefällt, wird sie politisch und finanziell gefördert. 

Ich persönlich erwarte von Kunstschaffenden, dass 

  • sie Talent haben  
  • sie kreativ und innovativ sind 
  • etwas Besonderes können 
  • sich ihr Schaffen vom reinen Handwerk abhebt.  

Kunst aber hat nicht die Aufgabe, ein politisches System zu stabilisieren, auch nicht die staatlich geförderte Kunst. Für eine starke Demokratie müssen wir alle gemeinsam sorgen. 

Kunst hilft der Politik zu neuen Erkenntnissen, wenn sie das in der Gesellschaft bis dahin wenig Sichtbares hervorhebt und Missstände veranschaulicht. Sie hat die Macht, uns zu berühren und zu inspirieren.  Sie kann uns helfen, die Welt mit anderen Augen zu sehen und neue Wege zu gehen. Gerade in Zeiten, in denen unsere Gesellschaft vor großen Herausforderungen steht, brauchen wir diese Inspiration

Weil Kunst Einfluss auf die Menschen und die Politik haben kann, ist Kunst schon immer von Politik abhängig gewesen: Finanziell und ideologisch. Das sieht man gerade hier in Ludwigsburg: Herzöge und Könige verstanden sich als großzügige Kunstmäzene. Aber sie förderten ausschließlich derjenigen Künstler (ganz selten Künstlerinnen), die zu ihren Ehren Werke schufen. Kritik, Ironie und Widerspruch – alles verboten und unter Strafe gestellt.  

Kunst musste in den zurückliegenden Jahrhunderten der Politik gehorsamst Folge leisten. Wenn sie das nicht tat, wurden Künstler im günstigsten Fall vertrieben, wie Friedrich Schiller aus Württemberg. Im schlimmsten Fall wird Kunst mit Gewalt bloßgestellt, wie es dem Dichter Christian Friedrich Daniel Schubart mit seiner Inhaftierung auf der Festung Hohenasperg passiert ist. Nur um zwei lokale Beispiele anzuführen. 

Nur wenige werden mit Kunst tatsächlich reich und damit von allem und von jedem unabhängig. Nicht zuletzt junge Kunst benötigt aber Förderung durch gute Schulen und Lehrenden. Danach brauchen Kunstschaffende finanzielle Förderung, insbesondere wenn sie Neues ausprobieren wollen. 

Das ist alles von politischen Entscheidungen abhängig und schafft in gewisser Weise eine Abhängigkeit von Politik. Kulturförderung ist ein zentraler Bestandteil unserer politischen Arbeit. Denn eine Gesellschaft, die die Kunst vernachlässigt, beraubt sich selbst einer wichtigen Quelle der Inspiration und des Fortschritts. 

Deshalb kommt den Kunstvereinen im unserem Land, wie auch dem Ludwigsburger Kunstverein, eine große Bedeutung zu. 

Kunst wäre in Deutschland nicht so vielfältig, wenn es neben der staatlichen Förderung und der Förderung aus der Wirtschaft nicht solche Institutionen gäbe wie den Kunstverein

Mit ihrem ehrenamtlichen Wirken geben Kunstvereine der Kunst nicht nur Raum – im wörtlichen Sinne – sondern garantieren ihr auch Unabhängigkeit. Deshalb bedanke ich mich an dieser Stelle bei den Akteuren des Kunstvereins Ludwigsburg für Ihr Engagement und dafür, dass sie die Ausstellung Müller und Sohn plus Ko hier ermöglicht. 

Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen und darüber zu erfahren, was die Ausstellungswerke in Ihnen auslösen.

Macit Karaahmetoğlu

Der Artikel ist auch in en_US verfügbar.

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